Überlegungen zur passiven Sinksicherheit

Schon seit längerer Zeit mache ich mir Gedanken darüber, wie ich die Sinksicherheit von DreamcatcherOne erhöhen kann, zumal ich keine Kiele haben werde und somit jede harte Grundberührung gleich zu Schäden an der Hülle führt, also zu einem Wassereinbruch. Dass eine übermäßig erhöhte Blechdicke nicht die Lösung sein kann, dürfte klar sein, wenn man die Massen betrachte, die im Spiel sind: Bei 32t Gewicht müßte ein Aluminiumblech mehrere Zentimeter stark sein, um punktuellen Belastungen standzuhalten. Das ist natürlich Unfug.

Nachdem ich nun erster Hand erlebt habe, wie schnell ein Katamaran bei einem Leck kentern kann und aufgegeben werden muss, ist das Thema für mich aktueller denn je. Ich habe mich in den Tagen nach unserem Unglück oft gefragt, ob das Sinken von blu:kat mit einfachen konstruktiven Maßnahmen zu verhindern gewesen wäre.
Die Antwort ist: Vermutlich ja. Und eines ist auch klar: In einer solchen Stresssituation helfen vorwiegend passive Maßnahmen, d.h. Maßnahmen, die mit geringem oder ohne Zutun der Crew die Sinksicherheit erhöhen.

Was wäre also zu tun?

  1. Bodenschotten

    • Das Bodenniveau in den Rümpfen sollte auf ca. 15-20cm über Designwasserlinie angehoben werden. Das läßt sich bei einer Länge von 18-20m in der Designphase berücksichtigen. Man käme dann mit den Rümpfen ein paar Zentimeter weiter aus dem Wasser, was den Luftwiderstand leicht erhöht.
    • Die einzelnen Sektionen unterhalb des Bodens werden gegeneinander abgedichtet (verschweißte Schotten, alle Durchlässe gedichtet).
    • Die Böden sind wasserdicht mit der Außenhaut verschweißt und die Revisionsklappen wasserdicht ausgeführt.
    • Ein überschlägige Brechnung hat ergeben, dass das etwa 300-400 kg mehr an Gewicht bedeutet im Vergleich zu normalen Bodenbrettern.
  2. Durchgehende senkrechte Schotten über dem Boden

    • Über die ganze Bootslänge werden alle Schotten wasserdicht mit der Außenhaut verschweißt.
    • Die Türen werden als Wasserdicht verschließbare Schotttüren ausgelegt.
    • Gegen den Brückendeckbereich werden die Räume in den Rümpfen auch durch wasserdicht verschweißte Wände und Decken abgetrennt und über eine Schotttür vom Deckbereich abgetrennt.
    • Ein überschlägige Brechnung hat ergeben, dass das etwa 400 kg mehr an Gewicht bedeutet im Vergleich zu normalen Holz-Schaum-Wänden und -Türen. Die Abtrennung des Maschinenraums und der Kabinen sollte sowieso in Alu ausgeführt werden (Brandschutz/strukturelle Stabilität).
  3. Notauftrieb durch Isolationsmaterial, das kein Wasser aufnimmt

    • Wenn man davon ausgeht, dass bei 20m Länge bei 10cm Isolationsdicke und 200qm isolierter Fläche 20m3 Isolationsmaterial anfallen, kann man damit bei einer Dichte < 25kg/m3 etwa 19,5t Auftrieb einbauen. Zusammen mit der Einrichtung und ein paar abgeschotteten Bereichen soltte das dazu führen, dass ein solcher Katamaran unsinkbar ist.
    • Die leichtesten Isolationsmatierialien nehmen Wasser auf (BASF Basotect Melaminharzschaum mit 9kg/m3 oder als UL-Version nur 6kg/m3). Wenn es eine Möglichkeit gäbe, diesen Schaum dauerhaft zu imprägnieren, wäre das ideal (z.B. in Folie einschweißen?) zumal er formbar ist.
    • Die wasserunempfindlichen Isolationsmaterialien wie PUR oder STYRODUR sind schwerer und schlecht an die Bootskonturen anzupassen, dafür aber dauerhaft, weil inhärent, wasserunempfindlich.
    • Alle oben genannten Isolationsmaterialien sind brennbar. Steinwolle scheidet jedoch aus, weil sie Wasser aufnimmt (und nicht besonders gut isoliert).
  4. Lenzvorrichtungen

    • Es hat sich bei blu:kat gezeigt, dass Lenzvorrichtungen nicht stark genug ausgelegt sein können.
    • Insbesondere die Ansaugleitungen sollten >> 1 Zoll sein, damit bei relativ großen Leitungslängen der Durchflußverlust beherrschbar bleibt.
    • Es darf keine Engstellen im System geben, auch wenn mehrere Pumpen auf denselben Saugstrang arbeiten. Das betrifft die Verteiler genauso wie die Borddurchlässe (jede Pumpe hat einen eigenen).
    • Die Pumpleistung kann durchaus massiv überdimensioniert sein, solange man die Pumpen mit einem Generator versorgen kann (wir reden hier über mehrere Kilowatt starke Pumpen, die mit 230/400V laufen.). Fallen beide Generatoren aus, ist das Schiff sowieso nicht mehr zu retten!

Allein mit der ersten Maßnahme, die ich nicht als übermäßig aufwendig bezeichen würde, hätte das Sinken von blu:kat verhindert werden können, da der Wassereinbruch unter der Wasserlinie lag. In diesem Fall wären ein bis zwei Unterbodensektionen betroffen gewesen, was geschätzt zu maximal ein bis zwei Tonnen Auftriebsverlust geführt hätte. Berücksichtigt man, dass ein Rumpf meines DreamcatcherOne-Designs einen Auftrieb von 250 Liter pro Zentimeter Tiefertauchung auf der Designwasserline besitzt, wäre es zu einem Abtauchen des Steuerbordrumpfes um 5-10 Zentimeter gekommen, wenn man die lecken Sektionen abzieht. Sind in diesen Sektionen Tanks eingebaut, wäre der Auftriebsverlust noch bei weitem geringer. Man hätte also vermutlich ohne Probleme die 600 sm bis zu den Azoren weitersegeln können. Es wäre zu keinem Totalverlust gekommen.

Die durchgehenden Schotten im Überwasserbereich erhöhen die Sicherkeit weiter, wenn z.B. bei Kollision der Wassereinbruch auch deutlich über der Wasseroberfläche stattfindet. Allerdings sollte das ohnehin nicht zum Sinken führen, wenn kein Wasserdruck darauf lastet. In dem besonderen Fall, dass das Leck die Trennung durch den Fußboden zerstört, kann es aber durchaus sinnvoll sein einen ganzen Bereich abschotten zu können. Im Ganzen scheint diese Maßnahme recht aufwendig zu sein und den Wohnkomfort negativ zu beeinflussen. Natürlich bleiben Bereiche, die nicht zum Wohnbereich gehören, weiterhin komplett abgeschottet. Als Kompromiss kann man dafür sorgen, dass über Wasser jeder Rumpf im Wohnbereich in zwei Sektionen unterteilt ist. Dies ließe sich so in der Raumgestaltung verstecken, dass es den Wohnkomfort nicht beeinträchtigt - und ist besser als nichts.

Die dritte Maßnahme zielt eher auf den Kenterungsfall durch Wind und Welle und nicht auf Kollisionen ab. Da es in entlegeneren Gebieten überlebenswichtig sein kann, eine zuverlässig schwimmende Plattform zu haben, sollte man diesen Vorteil auf jeden Fall nutzen.

Es ist also klar, dass (Sink-)Sicherheit schon in der Designphase beginnt.