30.08.2015

Entwurf 1

Abbildung 1: Entwurf 1 - 2011

Jeder, der schon einmal ein Haus gebaut hat, weiß, dass den Architekten oft mehr ihr Geldbeutel als ein optimales Ergebnis für den Kunden am Herzen liegt. Warum sollte dies beim Schiffbau, insbesondere beim Yachtbau, anders sein?

Doch wie fängt man mit einem Entwurf an? Zuerst muss man eine geeignete Entwurfssoftware finden. Wichtigstes Kriterium für mich: Sie muss auch mit Katamaranen umgehen können. Das ist leider nicht selbstverständlich. Meine ersten Entwürfe eines Rumpfes habe ich mit MaxSurf gemacht, das verspricht, auch mit Katamaranen klarzukommen. Davon gibt es beim Hersteller eine CrippleWare-Version zum Ausprobieren. Die Beschränkung auf drei Flächen ist für ein Knickspantdesign untragbar. Allerdings war es für mich der richtige Einstieg, die Grundprinzipien des 3D-Entwurfs zu verstehen.

Auf der CMM 2010 in Hamburg konnte ich zu Friendship-Systems Kontakt aufnehmen, die ein sehr gutes aber für Anfänger- und durchschnittliche Hobbybastler zu komplexes parametrisches Entwurfs- und Optimierungssystem anbieten. Die Lernkurve ist sehr steil, aber nach dem ersten Entwurf einer kompletten Katamaranhülle mit zwei Rümpfen und Brückendeck hatte ich schon ettliche Dinge begriffen und konnte mich daran wagen, ein parametrisches Design von einem Rumpf aufzusetzen.

Abbildung 2: DreamcatcherOne-Entwurf 2011

Die um Segel, Mast, Steuerhaus etc. vervollständigte Version meines ersten Entwurfs habe ich Modell 0 genannt. Es ging darum zu prüfen, ob Das Friendship-Framework, seit 2015 nur noch als CAESES bekannt, in derLage ist, meine Modellvorstellungen abbilden zu können. Wie sich im Nachhinein herausgestellt hat, habe ich mit CAESES eine sehr gute Wahl getroffen, da das Programm seit 2010 rasant weiterentwickelt worden ist.

Abbildung 3: Modell 0 ohne Segel (2013)

Die Schwimmer dieses Ausgangsmodells sind nicht parametrisiert und beruhen auf BSpline-Kurven, wie man das auch mit einem handelsüblichen Schiffsdesignprogramm machen würde. Der Nachteil dieser Herangehensweise ist, dass es mit vertretbarem Aufwand nicht möglich ist exakt strakende Linien zu zeichnen. Will man dann noch Krümmungskontinuität (C2-Kontinuität, 2. Ableitung hat keine Knicke) kann man diesen Ansatz getrost als nicht durchführbar ansehen.

Allerdings sind die Maße in Querrichtung parametrisiert, so dass sich ein Design beliebiger Breite erzeugen lässt. Nach bisherigen Überlegungen wurde als Grundlage für die Massenabschätzung eine Breite von $BCB=4,5m$ angenommen. Mit einer Schwimmerbreite von $B_{hull} \simeq 2,0m$ ergibt das eine ungefähre Breite über alles $BOA=2*BCB+B_{hull} \simeq 11,0m$.

Abbildung 4: Modell 0 mit Segel (2013)

2013 habe ich das Modell etwas weiter verfeinert, um Flächen und somit Massen für eine genauere Massenabschätzung der Rumpfstruktur bestimmen zu können. Jetzt gibt es ein Steuerhaus, den Steuerstand und die Hauptspanten. Auch die Quer- und Längsträgermaße können bestimmt werden, und werden bei der Auslegung nach GL Richtlinien verwendet. Dort finden sich auch entsprechende Abbildungen.

Darüber hinaus enthält das Modell auch die Mast- und Segelstruktur, um eine grobe Übersicht über Mast- und Segelgeometrie zu bekommen (incl. Segelflächenabschätzung).

Da ich mich immer wieder auf dieses Modell beziehe, können die Bilder als Gedankenstütze dienen.

Parametrisches Modell

Die ganze Zeit ist von parametrischen Schwimmern und Parametrisierung die Rede. Doch was ist das? Und warum ist es nützlich? Bei einem Entwurf möchte man möglichst viele sinnvolle Designvarianten ausprobieren oder noch besser im Hinblick auf eine Zielfunktion optimieren. Dazu muß aber der Rumpf leicht, am besten automatisch, veränderbar sein und dabei auch keine ungewollten Knicke oder Dellen bekommen. Die Alternative ist, für jeden Einzelfall ein neues 3D-Modell zu machen. Da man das nicht in fünf Minuten erledigt, ist das ein immenser Zeitaufwand. Eine automatische Optimierung auf eine Zielfunktion ist damit gar nicht möglich. Das schwierige bei parametrischen Modellen ist, die Zahl der Parameter so gering wie möglich zu halten, ohne dabei im Vorfeld sinnvolle Designvarianten auszuschließen. Am Ende wird das immer ein Kompromiss, denn bei nur 6 Parametern und 10 möglichen Ausprägungen pro Parameter reden wir schon über eine Million Varianten. Will man die zu Übersichtszwecken alle auswerten, ist man sehr lange beschäftigt. Eine Gesamtuntersuchung eines zu großen Suchraumes ist somit nicht sinnvoll. Man muss also von einem möglichst guten Entwurf ausgehen und dann per Zielfunktion festlegen, wohin die Reise gehen soll, um das Design zu optimieren. Das erfolgt in der Regel schrittweise: Zunächst kann man sich auf hydrostatische Kennzahlen beschränken. Eine sinnvolle Aufgabe ist zum Beispiel, die benetzte Fläche bei gegebener Verdrängung zu minimieren, wobei man beispielsweise ein minimales Längen-/Breitenverhältnis als zusätzliche Beschränkung berücksichtigt.

Abbildung 5: DreamcatcherOne-Entwurf 2011, Spantflächenkurve

Aber woher bekommt man ein gutes Ausgangsdesign? Da hilft nur Fachliteratur weiter. Um es kurz zu machen: Auf Deutsch habe ich kein vernünftiges Buch über Yachtdesign gefunden. Das beste Buch zum Thema ist Principles of Yacht Design von Lars Larsson und Rolf E. Eliasson aus Schweden. Da stimmt jede Formel und alle Bezeichnungen sind eindeutig. Zum Thema Katamarandesign habe ich in Buchform gar nichts gefunden. Allerdings gibt es eine sehr gute kurze Übersicht von Terho Halme How to dimension a sailing catamaran?. Darüber hinaus hat auch John Shuttleworth in den 90er Jahren des vergangenen Jahrtausends einige Zeitschriftenartikel geschrieben, die einen kleinen Eindruck vermitteln, worauf es ankommt. Da die Datenbasis hier eher dürftig ist, muss ich nach trail-and-error-Verfahren vorgehen und die Entwürfe, die ich für gut halte, mit Hilfe von CFD-FEA (Computational Fluid Dynamics Finite Element Analysis) analysieren.

Abbildung 6: Vergleichskat, Spantflächenkurven und Wasserlinie
für 1,35m und 1,50m Tiefgang

Darüber hinaus ist es hilfreich, das eigene Design, mit bereits gebauten Designs zu vergleichen. Dies ist wohl der klassischste Ansatz überhaupt im Schiffsbau. Das Problem in meinem Fall ist, dass ich sehr spezielle Anforderungen habe: Ich möchte aus Aluminium und in Knickspantbauweise bauen. Da ist die Auswahl an vergleichbaren Designs ziemlich gering. Immerhin konnte ich bisher wenigstens ein solches Design auftreiben, das zudem noch in den Dimensionen vergleichbar ist: Aus den Plänen der Spanten habe ich in Friendship ein 3D-Modell rekonstruiert und die wichtigsten hydrostatischen Kennzahlen meines ersten parametrischen Entwurfs (DCOne) dem Vergleichsdesign (Kat) gegenübergestellt. Der Vergleichskatamaran ist zweimal angegeben: Einmal wie er heute tatsächlich fährt (mit 1,50m Tiefgang) und einmal, wie er im Design (mit 1,35m Tiefgang) geplant war. Der Unterschied liegt in etwa 6 Tonnen Übergewicht, das auf Grund einer schwerer als geplanten Aluminiumkonstruktion zustande kam. Betrachtet wird in allen Fällen nur der Canoe-Body also ohne Anhänge. Die Tabelle zeigt, wie extrem wichtig eine genaue und immer wieder verfeinerte Massenberechnung ist, der im Zweifelsfall ein Re-design folgen muss. Im Design war der Vergleichskat durchaus mit dem DCOne-Design vergleichbar, wenn auch mit kleinen Abstrichen: So ist die benetzte Fläche unverhältnismäßg groß und auch die Lage von XCB und XCF zueinander lassen erwarten, dass der Kat zum Nicken neigt. Genau dieses Verhalten konnte ich beim Mitsegeln auf diesem Katamaran in der Praxis bestätigen. Dass die benetzte Fläche des Vergleichskats groß ist und somit die Leichtwindperformance beeinträchtigt ist, kann man auch an dem Koeffizienten der größten Spantfläche Cm ablesen: Dieser setzt die größte Spantfläche AX ins Verhältnis mit BWL×Draft. Ein optimaler, weil flächenminimaler, Wert läge bei π / 4, also rund bei 0,785. Während sich das DCOne-Design mit 0,818, diesem Wert annähert, liegt der Vergleichskat bei 0,511 bzw. 0,418 weitab vom Optimum. Ein weiterer Performancekiller des Vergleichskats ist der neue Tiefgang: Während im Design der Heckspiegel weit über der Wasserline lag, taucht dieser nun ca. 1,5 cm ein. Dies begünstigt ein Festsaugen des Hecks, da der Heckspiegel dafür nicht konzipiert war. Jeder Jollensegler hat diesen Effekt schon einmal erlebt.

Tabelle 1: Hydrostatische Kennzahlen von DreamCatcherOne (parametrisches Modell 2011) und dem Vergleichs-Kat für Plantiefgang (1,35m) und Ist-Tiefgang (1,50m) jeweils für einen Rumpf
Parameter DCOne Vergleichs-Kat real (1.5m Tiefgang) Vergleichs-Kat Design (1.35m Tiefgang)
AW Wasserlinienfläche [m²] 26,312 20,777 19,294
AX Größte Spantfläche [m²] 1,322 1,352 1,105
BWL Größte Breite der Wasserlinie [m] 1,842 2,153 1,602
Cb Blockkoeffizient 0,51 0,247 0,301
Cm Koeffzient der größten Spantfläche 0,818 0,418 0,511
Cp Prismatischer Koeffizient 0,624 0,591 0,589
Cw Wasserlinienflächenkoeffizient 0,736 0,564 0,735
DISPM Verdrängte Masse (Salzwasser) [t] 16,402 14,01 10,921
DISPVOL Verdrängtes Volumen [m³] 16,002 13,669 10,655
Draft Tiefgang [m] 0,87 0,957 0,807
KML Metazentrische Höhe in Längsrichtung [m] 35,773 24,559 27,391
LB Längen/Breitenverhältnis 10,531 7,941 10,223
LOA Länge über alles [m]
20,0
18,0
18,0
LWL Länge der Wasserlinie [m] 19,4 17,1 16,38
S Benetzte Fläche [m²] 43,021 39,059 33,331
Tpc Verdrängungszunahme bei 1cm Tiefertauchung [m³] 0,264 0,209 0,194
XCB Auftriebsschwerpunkt in Längsrichtung vom Heck [m] 8,793 8,518 8,698
XCBp XCB auf LOA (Länge ü. Alles) bezogen [%] 43,966 47,326 48,322
XCF Schwerpunkt von AX vom Heck [m] 8,948 7,793 8,024
XCFp XCF auf LOA bezogen [%] 44,738 43,293 44,575

Es bleiben aber noch Fragen offen:

Es fällt auf, dass das Heck des DCOne-Entwurfs wesentlich steiler ausläuft als bei dem Vergleichskat. Das könnte unter Umständen ein Problem für das (Halb-)Gleiten des Designs werden. Als Faustregel gilt, dass das Heck nicht steiler als mit 15° nach oben laufen darf, wenn Gleiten möglich sein soll. Dieser Grenzwert wird zwar von dem Design nicht erreicht oder überschritten, aber es ist sicher ein Punkt, den man im Auge behalten sollte. Andererseits ist es auch nicht leicht möglich, das Heck flacher zu gestalten: Nimmt man dort Volumen weg, wandert XCB nach vorne, XCF hingegen bleibt, wo er ist. Als Gegenmaßnahme kann man nur den Bug in der Wasserlinienebene bauchiger machen. Macht man die Wasserlinienfläche am Heck schmaler, verliert man dort auch Auftrieb. XCB würde genauso wie XCF tendenziell weiter nach vorne wandern. Eine weitere Möglichkeit wäre es, auch Auftrieb im Bugbereich zu reduzieren, was aber insgesamt zu einem weiter erhöhten Auftriebsverlust führen würde... Einen Königsweg gibt es also nicht. Antworten können hier nur noch detaillierte CFD-Analysen geben.