01.05.2012

 3400 sm Atlantik - MAYDAY MAYDAY MAYDAY

Blu:kat sinkt: 04:43:45 UTC

Position: 37°20.3'N 039°40.3'W

 03:20 UTC

Ich liege in meiner Koje und schlafe recht unruhig, weil wir mit gutem halben Wind von 12-15 Knoten mit 6-9 Knoten in Richtung West über den Atlantik jagen. Hin und wieder donnert eine der etwa einen bis eineinhalb Meter hohen Wellen gegen blu:kats Brückendeck. nDoch diesmal war das Donnern lauter als gewöhnlich, ja fast ein Knall. Ein Ruck geht durch blu:kat - auch der wohl kräftiger als was ich vorher im Halbschlaf wahrgenommen hatte. Aber noch hatte ich mir nichts dabei gedacht. Das sollte sich 30 Sekunden später ändern: Der Wasseralarmmelder im Steuerbordrumpf sprang an und gab sein entnervendes gepiepe von sich. Da brüllte auch Martin schon: Bodo, wir haben Wasser im Schiff. Wie elektrisiert saß ich senkrecht im Bett. Martin versucht den Schaden zu finden, kann aber durch die Revisionsklappen nur das Einströmen des Wassers hören - zu sehen ist nichts. Vermutlich ist das Leck unter den Tanks. Martin schaltet sofort erst eine, als das nichts hilft, alle drei Lenzpumpen ein. Der Generator lief schon, weil Martin gerade die Batterien geladen hat. Alle drei Pumpen funktionierten einwandfrei. Ich hatte kaum meine Brille auf und stolperte aufs Brückendeck, da schwammen im Steuerbordrumpf trotz aller Pumpen schon die ersten Bodenbretter.

Spätestens jetzt war klar: Wir sinken!

Blu:kat sinkt: 04:48:28 UTC

 03:44 UTC

MAYDAY MAYDAY MAYDAY- This is blu:kat, Call Sign DGQP2 (DELTA GOLF ...). We are sinking. Distressknopf gedrückt für die GMDSS Alarmierung - Keine Antwort. Segel runter, damit nicht noch durch die Fahrt mehr Wasser ins Schiff gedrückt wird. Aber umsonst: Das Wasser steigt weiter. Wie schnell wird blu:kat sinken? Wir wissen es nicht. Aber eines wissen wir: Wenn blu:kat sinkt, wollen wir nicht mehr an Bord sein. Eile ist angesagt.

 03:45 UTC

Wir raffen schnell alle überlebenswichtigen Dinge zusammen: Alle Wasser- und Apfelsaftflaschen und Orangensaftkartons, die wir noch hatten, wanderten in große Müllsäcke und Einkaufstaschen. Martin ließ das Beiboot ins Wasser und warf einer der beiden Rettungsinseln ins Wasser, die sich sofort entfaltete - und leider auf dem Kopf lag. Mit vereinten Kräften drehten wir sie um. Wir werfen alles in die Rettungsinsel. Dann warme Kleidung: Ich raffe alles zusammen, was ich auf die schnelle von meinen dickeren Sachen finden kann - ab in einen Müllsack und dann in die Rettungsinsel. Es folgen Nahrungsmittel: Alle Konserven, die irgendetwas direkt essbares enthalten (Sauerkraut, Pilze, Erbsen, Bohnen, ...), wandern in eine von unseren großen, gewebeverstärkten Einkaufstaschen. Da blu:kat noch schwimmt sammele ich in einer zweiten Runde noch meine Wertgegenstände ein: Meinen Fotoapparat und mein Handy. Ich konnte gerade noch ein paar Klamotten und persönliche Dinge einsammeln und das war's dann: Blu:kat neigt sich immer mehr nach Steuerbord, so dass es gefährlich zu werden droht.
Mein Satellitentelefon, sowie unsere Pässe und Geld hatten wir schon als erstes eingepackt. Damals auf Sint Maarten fand ich es komisch, dass wir unser Geld und unsere Pässe gleich, nachdem wir die Insel verlassen hatten, in einem wasserdichten Sack deponiert hatten, der griffbereit unter dem Kartentisch stand. Jetzt wußte ich, warum ...

Blu:kat sinkt: Habseligkeiten (04:59:13 UTC)

 04:00 UTC

Alles, was wir retten konnten und zum Überleben in der Rettungsinsel brauchten, war verstaut. Die Aussicht, bei schlechter werdendem Wetter (die Wetterkarte vom Vortag zeigte, dass wir vor einem Tief hersegeln) in einer Rettungsinsel über den Nordatlantik zu treiben, war nicht gerade verlockend.
Martin geht wieder ans Funkgerät und probiert es weiter auf UKW und Kurzwelle. Und plötzlich auf Kanal 16: blu:kat this is Clipper Liz ... We are about two hours from your position.
Mir fällt ein Stein vom Herzen: Es weiß jemand definitv von unserem Schiffbruch und sucht nach uns. Das ist schon extremes Glück im Unglück: Wir sind schließlich etwa 600 sm vor den Azoren und sonst ist da nur das große blaue Nichts.

 04:09 UTC

Wieder meldet sich das UKW-Funkgerät: blu:kat this is Wilson Narvik ... We can reach you in about about one and a half hours.. Wie wir später erfahren werden, hatte der Kapitän der Wilson Narvik sofort nach Erhalt unseres Notrufes seine Geschwindigkeit auf volle Kraft voraus erhöht und eilte mit 14 Knoten unserer Position entgegen. Kurze Zeit später hatte er uns auf dem Radar und konnte so irekt auf uns zusteuern. Mit dem Clipper Liz hatte er sich verständigt, dass er die Rettung übernehmen wird, weil er dank höherer Maximalgeschwindigkeit schneller bei uns sein kann.

 04:20 UTC

Als das Wasser fast bis zum Mittendurchlass auf den Brückendeck schwappt, befürchten wir, dass es jetzt mit dem Kentern über den Steuerbordrumpf recht schnell gehen kann, wenn eine große Welle einsteigt. Also nichts wie in die Rettungsinsel. Martin bleibt noch ein paar Minuten länger an Bord bis das Beiboot an der Rettungsinsel festgemacht ist. Dann steigt auch Martin in die Rettungsinsel. Es ist nichts mehr zu tun.

Wir wollen so lange wie möglich eine Leinenverbindung zu blu:kat behalten, um in der Dunkelheit nicht abzutreiben und dadurch die Rettung zu erschweren. Zwischendurch haben wir noch ein Verlängerungstau gesteckt, um etwas mehr Abstand zu blu:kat zu gewinnen.

Blu:kat sinkt: 05:13:23 UTC

 05:30 UTC

Erst als blu:kat endgültig zu kentern droht und der Mast sich schon fast auf dem Wasser liegt, lösen wir die Seilverbindung. Die Deckbeleuchtung leuchtet noch immer. Es ist etwas gespenstisch, einem Schiff beim Sterben zuzusehen.

 05:39 UTC

Blu:kat kentert über den Steuerbordrumpf. Das Unterwasserschiff des Backbordrumpfes schaut noch aus dem Wasser.

Mit dem Handfunkgerät haben wir wieder Kontakt zur Wilson Narvik. Sie sind noch etwa eine Stunde entfernt. Wir schauen zu, wie blu:kat langsam sinkt. Noch sind wir per Seil, das wir zwischenzeitlich verlängert haben, mit blu:kat verbunden, um nicht abzutreiben. Denn obwohl blu:kats Generator längst verreckt ist, leuchten die Deck- und Postionslampen immernoch, weil die Batterien glücklicherweise im Backbordrumpf untergebracht sind, der noch trocken aufschwimmt.

Blu:kat sinkt: 05:39:47 UTC

 ca. 05:50 UTC

Funkkontakt zur Wilson Narvik: Sie sind noch eineinhalb Seemeilen entfernt. Wir informieren sie, dass wir mit unserem Beiboot zu ihnen fahren können, wenn sie auf unserer Position sind. Wir packen zum zweiten Mal: Alle persönlichen Dinge, Kleidung, Wertsachen werden ins Beiboot umgeladen.

 06:00 UTC

Nach einem äußerst präzisen Manöver liegt die Wilson Narvik jetzt sehr nahe an unserer Position und hat die Maschine gestoppt. Der Abstand beträgt vielleicht 200-300m. Wir starten den Außenborder am Beiboot, sammeln alle herumschwimmenden Leinen aus dem Wasser und geben die Rettungsinsel auf. Der Außenborder heult auf und kurze Zeit später sind wir bei der Wilson Narvik. An der Backbordseite hat man für uns eine Stufenleiter herabgelassen. Man wirft uns eine Leine zu und wir befestigen die Vorleine des Dinghis daran. Ich steige auf die Leiter, Martin reicht mir unsere Sachen, ich reiche sie weiter an viele helfende Hände an Deck.

 06:15 UTC

Gerettet!!! Ich stehe an Bord der Wilson Narvik. Martin hat die Leute noch dazu bekommen, wenigstens das Dinghi mit dem Kran an Bord zu hieven. Und klettert dann auch an Bord.

Blu:kat ist nicht mehr...

 08:03 UTC

Der Kapitän (Master) der Wilson Narvik sendet einen Bericht über unsere Rettung an das MRCC Ponta Delgada, Azoren, Spanien. Der Bericht wird auch an das MRCC Bremen weitergeleitet.